Dies ist die Geschichte eines Ponys, welches aus einem Stall in der Stadt auf ein Dorf zieht. Das ist schon ein großer Unterschied.
Ich bin Maja, ein 1,20m großes Shetlandpony...
...obwohl ich zugeben muss, dass ich wohl eher ein Shetty-Mix bin.
Ich werde mich mal in einem Steckbrief vorstellen:
Name: Maja
Rasse: Shetlandpony/Welshpony Mix
Farbe: Falbschecke
Geburtstag: eines Tages im Herbst
Stockmaß: 1,20m
Geschlecht: Stute
Lieblingsdinge
Futter: Bananen!!! ...und alles, was schmeckt
Person: meine Besitzerin
Untugenden: alles ablecken, betteln
Spiel: Wurfring, Teppich rollen
Temperament: frech, manchmal eigenwillig, in bestimmten Dingen etwas ängstlich
Mein letzter Tag in meinem alten Stall war der 30. Juni. Gegen Nachmittag um 15 Uhr, kam ein fremdes Mädchen zu mir in die Box und plötzlich wurde ich herausgeführt. Meine ehemalige Besitzerin führte mich einige Schritte auf den Hof. Ich sah mich um und entdeckte neben den vielen Artgenossen ein Auto mit einem großen Pferdeanhänger.
Neugierig sah ich mir das Ding an, doch ehe ich mich versah, kam dieses neue Mädchen, nahm meinen Strick und führte mich heran. Erschrocken blieb ich kurz davor stehen und wollte doch lieber zurück in meine Box. Was wollte dieses Mädchen auch von mir und warum sollte ich da rein?
Mir gefiel das nicht und so blieb ich stehen.
Darauf kam meine ehemalige Besitzerin und munterte mich auf.
"Sei schön brav, du hast bald deine eigene Wiese."
So wagte ich einen mutigen Schritt. In dem Hänger wurde ich angebunden und meine ehemalige Besitzerin verabschiedete sich von mir.
"Mach's gut. Du wirst ein schöneres Leben haben, als jetzt."
Noch verstand ich das alles nicht. Unruhig und nervös, tänzelte ich hin und her, aber viel mehr ging nicht. Rechts war eine Wand und links auch. Eigentlich wäre es mir lieber, ich würde aus diesem Ding wieder herauskommen. Als plötzlich auch noch die Rampe geschlossen wurde, bekam ich einen Schreck. Hatte man mich vergessen?
Ich scharrte mit dem Huf. Ich hörte leise Rufe, bevor alles zu wackeln begann. Ich spürte nun das sanfte Schaukeln und die pfeifenden Töne des Windes. Einmal warf ich meinen Kopf in die Höhe. Ich nahm wahr, dass ich mich immer weiter von meinem Stall entfernte. Aber ich konnte nichts tun. Ich konnte mich kaum bewegen. Ich entdeckte nun etwas Heu, was in einem Netz direkt vor mir hing, aber ich war zu aufgeregt, um jetzt etwas zu futtern, auch wenn ich eigentlich immer hungrig war.
Nach einer schaukligen Standzeit von "Ich weiß nicht wie lange", hörte es plötzlich auf zu Schaukeln und alles stand still. Ich brauchte nicht lange warten, da ging die Rampe wieder nach unten. Ich wollte hier raus, aber ich war ja noch angebunden.
"Ganz ruhig."
Ich hörte eine Stimme, aber es war nicht die Stimme meiner Besitzerin. Es war mir egal, ich wollte da raus und tänzelte wieder unruhig hin und her. Nun sah ich, wie das Mädchen von vorne durch die Tür kam. Es band mich los und ich wäre am Liebsten gleich hinausgestürmt.
"Nicht gleich so schnell. Dann tust du dir nur weh."
Ich versuchte mich zu beruhigen, doch trotzdem trat ich einen Schritt zu weit nach rechts und spürte einen weichen Boden. Wo war ich? Ich sah mich um und entdeckte saftiges, grünes Gras. Was für ein schöner Moment das war. Ich senkte meinen Kopf, um etwas davon zu naschen.
Zugegeben, mir gefiel es jetzt schon, denn Gras gab es in meinem Zuhause nur sehr selten und wenn dann auch nur für kurze Zeit.
Nachdem ich mich etwas mit Grasen abgelenkt hatte, kam das Mädchen zu mir, befestigte den Strick und sagte:
"So, du hast nicht viel Gras in deinem alten Stall bekommen. Es ist zwar noch hell, aber auch schon langsam Abend geworden. Ich bringe dich jetzt in deinen neuen Stall."
Eigentlich hatte ich noch keine Lust. Ich wäre lieber noch auf der Wiese geblieben und hätte weiterhin am Gras gezupft, aber ich ließ mich überzeugen und das hatte sich auch gelohnt. Die neue Box war größer als meine alte. Nachdem das Mädchen mich hereingeführt hatte, die Tür geschlossen hatte, war ich wieder alleine und sah mich um.
An einer Wand hing ein komischer weißer Stein. Zu diesem ging ich hin und beschnupperte ihn. Er roch etwas salzig, also versuchte ich, mal daran zu lecken. Schmeckte auch salzig. Das war mal was anderes, was ich noch nicht kannte. Ich sah mich weiter um. In einer anderen Ecke hing ein Netz mit Heu drin.
Schon wieder dieses komische Netz, dann brauche ich immer solange, bis ich fertig bin mit futtern? Was das nur soll?
Aber es war mir egal, es schmeckte trotzdem und ich roch eine Möhre, die da drin war. Diese holte ich mir heraus und knabberte sie.
Irgendwie war es schön hier, aber irgendwie auch komisch. Viel beklagen musste ich mich nicht, wären da nicht solche kleinen brummenden Dinger gekommen. Fliegen waren das nicht, die kannte ich auch. Dies mussten Fliegen sein, die pieken konnten. Ich schlug mit dem Schweif, aber die stechende Fliege kam immer wieder. Leider konnte ich nicht viel mehr machen, nur abwarten, dass diese seltsame Fliege wieder verschwinden würde.
Irgendwann bin ich dann eingedöst, denn ich wurde wieder wach, als es langsam hell wurde. Leider hatte mir diese stechende Fliege juckende Beulen verpasst und das störte mich etwas, so schubberte ich mich an dem Gitter. Dieses Gitter war auch nicht ganz so hoch. Endlich konnte ich mal herüberschauen und etwas sehen. Da sah ich auch schon, wie das Mädchen kam.
"Na, du gewöhnst dich schnell an dein neues Zuhause. Ich bin jetzt deine neue Besitzerin und heute darfst du länger auf die Wiese."
Ich musste erstmal überlegen, ob ich richtig gehört hatte. Das war meine neue Besitzerin und mein neues Zuhause? Also bleibe ich hier wohl für immer. Noch wusste ich nicht, was kommen würde, aber es gefiel mir. Meine Besitzerin kam in die Box und hing mir ein neues Heunetz an.
Ach, wenn ich ihr doch nur sagen könnte, dass ich das Heu lieber vom Boden mag als so. Danach ging sie erstmal wieder und kam auch erst zurück, als ich aufgefuttert hatte. Als ich sah, dass sie das Halfter in der Hand hatte, da freute ich mich.
„Jetzt geht es nach draußen.“
Ungeduldig haute ich mit dem Huf gegen das Gitter, denn ich wollte nach draußen. Ehe ich mich versah, da stand ich auch schon auf der saftigen grünen Wiese. Da tobte ich mich aus. Wie lange war es her, dass ich alleine galoppieren durfte? Wie lange war es her, diesen weichen Boden ohne einen Reiter zu spüren? Es war wie ein Traum.
Doch dieser Traum machte mich trotzdem etwas unglücklich. Nachdem ich mich ausgetobt hatte, fühlte ich die Einsamkeit. Niemand war zu sehen. Ich sah nur ein entferntes Gebäude und das grüne Gras. Ich hielt den Kopf in die Höhe und blähte die Nüstern auf. Es kamen mir Gerüche in die Nase, die ich nicht kannte. Aber es roch nicht nach einem Artgenossen.
War ich hier ganz alleine? Ich wieherte, vielleicht würde dann meine Besitzerin wiederkommen. Tatsächlich kam sie auch wieder, dann konnte ich sie so rufen. Zu meiner Freude, hatte sie sogar eine leckere Banane dabei. Da vergaß ich das Gefühl, alleine zu sein und graste diesen Tag friedlich weiter. Das war ein schöner Tag, einfach nur Gras zu futtern und die Sonne zu genießen.
Am nächsten Tag bekam ich wieder mein Heu und als ich aufgefuttert hatte, dachte ich, dass es wieder auf die Wiese ging, aber Pustekuchen. Ich wurde an einen Baum geführt und dort band mich meine Besitzerin an. Ich entdeckte einen Kasten und aus diesem Kasten holte meine Besitzerin eine Bürste hervor. Da wusste ich, jetzt gab es erstmal ein Verwöhnprogramm. Irgendwie war ich aber ungeduldig und wollte lieber Gras futtern, als gebürstet zu werden, so tänzelte ich ein wenig hin und her, doch meine Besitzerin blieb da konsequent und drückte mich immer wieder zurück.
Da gab ich die Versuche recht schnell auf und genoss das Bürsten. Danach ging es nicht etwa auf die Wiese, sondern meine Besitzerin lief dort noch etwas mit mir umher, ehe ich grasen durfte. Gestern war es doch noch so schön. Da konnte ich gleich losfuttern.
Warum musste ich den jetzt mit ihr da rumlaufen? Wie langweilig! Also wollte ich dort entlanggehen, wo ich wollte. Aber das ging nicht, weil sie mich in die andere Richtung zog. War ich denn wirklich so schwach? Meine neue Besitzerin war wohl etwas stärker als meine alte. Ich probierte es aufs Neue.
„Ich zeige dir den Weg, den du laufen sollst. Wenn du mir folgst, bist du in Sicherheit.“
Das konnte ich nach so kurzer Zeit nicht sagen, ob ich ihr vertrauen konnte. So vieles war hier neu und ich muss mich erstmal an mein neues Leben gewöhnen.
Nachdem sie noch einige Runden mit mir gelaufen war, konnte ich auf die Wiese und ich wartete gespannt, was am nächsten Tag kommen würde.
Wieder wurde ich angebunden und bekam einen Gurt um. Eigentlich war ein Sattel doch etwas größer und schwerer. Vielleicht hatte meine Besitzerin so etwas auch noch nicht für mich.
„Ich besorge dir noch einen passenden Sattel. Das dauert nur noch etwas. So lange benutze ich ein dickes Pad und den Reitgurt.“
Achso. Na dann. Der Sattel würde noch kommen. Ich spürte, dass der Gurt etwas enger wurde, da musste sie ihn fester gezogen haben. Aber nicht so fest, wie ich es sonst kannte, dass ich da erstmal Luft holen musste.
Nun kam sie mit dem Metallding an. Ich mochte dieses Ding nicht. Es störte mich zwar so nicht, wenn ich es im Maul hatte, aber ich hatte die Erfahrung gemacht, dass wenn ich dieses Metallding im Maul hatte, man meist unvorsichtig an mir herumzog und das tat weh. Deswegen drehte ich erstmal den Kopf weg, vielleicht müsste ich es so nicht nehmen. Meine Besitzerin kam mit dem Ding hinterher, also drehte ich wieder den Kopf weg.
Sie blieb auch dran, immer wieder kam das Ding in meine Nähe, doch plötzlich ging sie damit weg. Wie schön. Das ging ja für mich einfacher als gedacht. Das merke ich mir und dann brauche ich sie da nur nicht anzugucken und schon muss ich das blöde Metallding nicht im Maul haben.
Ich staunte, als sie mir plötzlich ein Leckerli vor die Nase hielt. Ich wurde auch noch belohnt, dafür, dass ich das Ding nichts ins Maul nehmen musste?
Super Sache, das gefiel mir und begeistert nahm ich das Leckerli. Aber sie gab mir sogar noch ein zweites davon, welches ich mit Genuss von ihrer Hand nehmen wollte, doch da merkte ich, dass ich nun plötzlich das Metallding im Maul hatte. Na toll. Aber was solls. Es gab dafür ein Leckerli und das hatte sich gelohnt.
Einige Minuten später, führte sie mich auf die Wiese, auf der sie mich gestern schon geführt hatte. Ich spürte, wie ich aus dem Gleichgewicht gebracht wurde, vermutlich, weil meine Besitzerin nun aufgestiegen war. Für mich war dies etwas unangenehm, aber es ging doch recht schnell.
Nun erwartete ich, dass ich gleich wieder im Kreis galoppieren müsste (Wie langweilig!), einen unsanften Ruck im Maul spürte und das ganze einfach nur eine furchtbar anstrengende Aufgabe für mich war. Allerdings irrte ich mich da.
Auf der Wiese war ein weiterer Ausgang, welchen sie mich nun mit ihren Hilfen entlangführte. Habe ich die Hilfen meiner Besitzerin falsch verstanden oder führte sie mich tatsächlich nach draußen in die Natur? Ich war ein wenig irritiert und blieb wieder stehen.
„Na komm. Wir gehen nach draußen einen kleinen Ausritt machen. Das tut dir gut und du siehst mal etwas anderes.“
Es ging also wirklich nach draußen. Neugierig sah ich mich um. Dort waren viele Häuser, welche nach kurzer Zeit verschwanden und ich nichts als Gras und einen Weg aus Sand entdeckte. Diesen Weg sollte ich entlanggehen. Weiter war nichts zu sehen, zumindest so lange bis wir an sechs wilden bellenden Hunden vorbeikamen. Diese jagten mir vielleicht einen Schreck ein, als sie so plötzlich aus dem Gebüsch gesprungen kamen. Sie gingen aber weiter und meine Besitzerin motivierte mich auch, dass ich weitergehen sollte.
Nun sah ich ein großes Feld mit großen gelben Blumen. Das sah schön aus. Ich fragte mich, ob ich die Blumen auch essen konnte? Zumindest hatte ich diese großen gelben Blumen noch nie zuvor gesehen. Was war das eine Freude für mich, endlich mal wieder die Natur zu sehen, so vergaß ich für einen Moment völlig, dass ich nicht alleine war und begann zu traben.
Ich spürte einen Gegendruck. Stimmt ja, meine Besitzerin war auch noch da. Wie gerne wäre ich jetzt davon gestürmt, also probierte ich es nochmal. Aber dieser Gegendruck kam immer wieder, so gab ich doch irgendwann nach. Für einen Moment fand ich das blöd. Meine vorherige Besitzerin hatte mich immer alles machen lassen, was ich wollte.
Aber gut, dafür war meine neue Besitzerin auch lieber zu mir. So entschied ich mich, mich lieber noch etwas umzusehen und da sah ich auch schon einen seltsamen großen Kasten weit über mir. Vor Schreck blieb ich erstmal stehen und sah mir das an. Es machte mir Angst und aus Erfahrung wusste ich, dass ich damit allein gelassen wurde.
So drehte ich sofort um und rannte los. Ich galoppierte so schnell, dass ich pustete und meine Nüstern sich blähten. Als ich eine Weile so gerannt war, da fiel mir meine Besitzerin wieder ein. War sie denn noch da? Ich blieb stehen und spürte darauf, dass sich etwas auf mir bewegte.
„Jetzt hast du mir aber einen Schreck eingejagt. So schnell wollte ich noch gar nicht nach Hause.“
Mehr sagte sie nicht und spürte, dass ihre Bewegungen etwas langsamer waren. Ich hatte ihr wohl auch einen Schreck eingejagt, was ich eigentlich nicht wollte. Aber meine Angst war so groß. Was war das auch für ein komischer Kasten gewesen?
„Wir gehen ein ganz kurzes Stück in die andere Richtung und dann wieder nach Hause. Nicht dass du jetzt denkst, da draußen lauern nur Gefahren.“
Dadurch, dass sie mir mit ihrer Art „Ich will da aber nicht hin, sondern woanders“ etwas Vertrauen gab, aber wirklich nur ein bisschen, gingen wir diesen Tag zum Abschluss noch einen anderen Weg entlang.
Nachdem wir wieder Zuhause waren, muss ich zugeben, dass es aufregend gewesen war und ich war froh, wieder Zuhause zu sein. Am Abend erwartete mich sogar eine leckere Überraschung.
Während ich mich in meiner Box mit meinem Heu beschäftigte, kam meine Besitzerin mit einer Schüssel. Ich nahm den Geruch von Mohrrüben und Bananen wahr. Lecker! Das war bestimmt eine Belohnung für den Ausritt. Sie stellte mir die Schale mit dem Futter hin. Davon hätte es nochmal doppelt so viel sein können.
Vielleicht klappte es, dass ich noch mehr bekomme, wenn ich betteln tue und meinen Huf hebe?
Den folgenden Tag machten wir wieder einen Ausritt und ich lernte die Natur immer besser kennen. Es gab Dinge, die sind gruselig, aber meine Besitzerin hatte so viel Vertrauen in mich, dass ich das schaffte, von Tag zu Tag mutiger zu werden. Dieser große Kasten aus der Höhe machte mir nun keine Angst mehr. Der würde nicht auf mich rauffallen. Aber diese riesigen tuckernden Maschinen.
Die waren so laut und machte so seltsame Geräusche. An diese konnte ich mich nicht gewöhnen. Sollen die doch da hinfahren, wo sie auch hergekommen waren. Ein Glück, dass sie immer noch weit genug von mir entfernt waren. Nach unserem kurzen Ausritt machte meine Besitzerin auch noch eine kleine Runde rundherum auf der Wiese. Da nahm sie diese lange Leine und ich musste im Kreis laufen. Das kannte ich ja schon.
Doch schon bald kam der Tag, da sollte ich ein Abenteuer erleben. Meine Besitzerin hat bei den Ausritten schon immer davon gesprochen, dass wir mal eine längere Reise durch den Wald machen. Ich lief auf einem Weg entlang, wo rechts und links lauter Bäume standen, das musste also der Wald sein. Angenehm fand ich auch, dass es dort sehr schattig war und die Temperaturen sich dadurch viel angenehmer anfühlten.
Die Vögel zwitscherten in den Bäumen und es schien alles so friedlich zu sein.
Allerdings überkamen mir Angstgefühle. Was wäre, wenn meine Besitzerin diesen langen Ritt nur machte, weil sie mich doch nicht mochte? Woher soll ich denn wissen, wo sie hinwill? Ich war verunsichert, denn ich hatte schon genügend Erlebnisse hinter mir. Dabei gefiel es mir bei ihr so gut. Das war ein Zuhause, wo ich nicht weg wollte, was mir zuvor eigentlich nicht viel ausmachte. Meine Gedanken waren ganz durcheinander und so beschloss ich wieder umzukehren.
„Das wird schön werden. Glaube mir.“
Mit diesen Worten drehte sie mich wieder um, aber ich wollte nicht.
„Hab keine Angst. Wir gehen nur jemanden besuchen.“
Ich drehte wieder um, immer noch mit etwas Angst.
„Wir gehen danach wieder nach Hause.“
Somit gab ich doch nach und ging den Weg weiter. Auch wenn es für mich schien, als würde dieser Weg kein Ende nehmen. Seit einer ganzen Weile ging es nur geradeaus. Bis auf die Vögel war nichts zu hören und bis auf die Bäume nichts zu sehen.
Endlich änderte sich der Weg und zwischen den Bäumen kam ein harter Weg, worauf meine Hufe klapperten. Das hörte sich schön an. Da fühlte ich mich ganz anders und lief eine kurze Zeit mit erhobenem Kopf weiter. Diesen Weg geschafft, gab es wieder nur Feld und nichts weiter zu entdecken.
Naja, dafür dass ich sowas selten gesehen habe oder besser gesagt fast gar nicht, da sollte ich mich nicht beschweren. Mitten auf diesem Feld roch ich etwas Seltsames, einen Geruch, den ich zuvor nicht kannte. Ich wusste nur, da wollte ich weg und so setzte ich zum Galopp an.
Wieder dachte ich nicht daran, dass meine Besitzerin auch noch da war. Sie hielt mich zurück und ließ mich nun einen Weg entlang der Häuser gehen. Dieser Weg beruhigte mich auch etwas, denn da war dieser Geruch verschwunden und ich fühlte mich sicherer. Dies ging noch ein Stück so weiter bis wir vor einem Tor ankamen. Dort stieg sie ab und band mich an. Danach nahm sie mir den Sattel ab und fuhr mit der Bürste über mein Fell. Wieder wurde ich etwas nervös. Wenn sie mir den Sattel abnahm und mich bürstete, dann hieß das, dass der Tag zu Ende war und es ging bis zum Abend auf die Wiese.
Als sie mich dann tatsächlich auf die Wiese brachte, da bekam ich Angst. Das war nicht meine Wiese. Das war eine fremde Wiese. Also sollte ich doch hierbleiben und nicht mehr zurück. Das wollte ich nicht und so traf ich eine vielleicht zu schnell überlegte Entscheidung. Nachdem meine Besitzerin in das Haus verschwunden war, nahm ich Anlauf und sprang über den Zaun. Wo wir hergekommen waren wusste ich, es ging immer geradeaus.
Allerdings lief ich irgendwie doch in die verkehrte Richtung. Denn ich fand einfach den Weg im Wald nicht. Dieses Mal schien der Feldweg einfach kein Ende zu nehmen. Ich galoppierte immer schneller. Es fühlte sich schon an, als würde der Boden unter meinen Hufen nachgeben. Irgendwann konnte ich nicht mehr und ich spürte wieder harten Boden unter meinen Hufen. Ich sah mich um. War das mein Zuhause?
Nein, das war nicht mein Zuhause. Ich stand mitten in einem anderen Dorf und einige Meter vor mir sah ich jemanden, der dort auch herumstand. Ich war erschöpft und hatte keine Wahl. Weiter konnte ich nicht mehr und vielleicht wurde mir diese Frau weiterhelfen. Ich ging langsam auf sie zu. Ihr Geruch war mir nicht bekannt, also kannte ich sie auch nicht. Auch ihre Stimme war mir fremd.
„Wo kommst du denn her? Ich habe hier eigentlich auf den Bus gewartet und nicht auf ein Pony, welches mich abholen wollte.“
Diese Frau sah sich an mir um. Doch ich trug nur das Halfter, mehr nicht.
„Du hast dich vermutlich verlaufen. Dann komm mit mir mit und wir finden dein Zuhause wieder.“
Ich folgte ihr und sie führte mich auf einen sehr kleinen Hof. Dort gab es auch irgendwie seltsames Gras. Dieses war so lang und schmeckte nach gar nichts. Auch kam mir ein Hund entgegen und zwei Mädchen, die mich bestaunten.
„Mama, hast du uns ein Pferd gekauft? Das ist ja eine tolle Überraschung.“
Ein Mädchen fiel mir um den Hals.
„Das ist ja wie im Traum. So weich. Kann ich sie reiten?“
In mir kamen schon die Gedanken hoch. Was wäre, wenn ich jetzt hier gefangen bin und nicht mehr weg kann? Dann bin ich irgendwo auf diesem kleinen Hof. Ich schubste das Mädchen weg, auch wenn ich das nicht gerne machte.
„Hey, das war aber nicht so nett.“
„Lisa, du wartest beim nächsten Mal auch ab. Ich wollte eigentlich mit dem Bus einkaufen fahren, aber da ist plötzlich dieses Pony gekommen. Es gehört uns nicht. Vermutlich ist es entlaufen. Ich werde reingehen und dies der Polizei melden. Die Besitzer suchen es bestimmt schon.“
„Wie schade, ich hätte es gerne behalten.“
Inzwischen war es Abend geworden. Ich stand die ganze Zeit da und wartete. Ab und zu knabberte ich an dem Gras, doch dieses schmeckte seltsam. Wann würde meine Besitzerin kommen oder ich zu ihr gebracht werden? Ich war etwas traurig. Mir fehlte mein Heu und meine Besitzerin. Wenn ich gewusst hätte, dass meine Besitzerin mich die halbe Nacht gesucht hat, dann hätte ich nicht verschwinden sollen…eine nicht überdachte Entscheidung von mir.
Am nächsten Tag war alles anders. Niemand brachte mir Heu und die beiden Mädchen gingen eilig an mir vorbei.
„Beeil dich, sonst verpassen wir den Bus.“
Ich hatte immer noch dieses Gefühl einsam und allein zu sein. Wie lange würde es denn noch dauern? Die Frau, bei der ich nun war, kannte sich wohl nicht viel mit uns Pferden aus, sonst hätte sie mir wenigstens eine Möhre geben können, wenn schon kein Heu.
„Es tut mir leid, ich habe nichts für dich. Aber du wirst bald nach Hause kommen. Deine Besitzerin weiß schon Bescheid.“
Es dauerte auch nicht lange, da hörte ich ein Quietschen, mit dem sich das große Tor öffnete. Da stand meine Besitzerin. Ich konnte es nicht glauben, aber ich war so erleichtert, dass ich sofort zu ihr ging und sie begrüßte.
„Na, meine Hübsche. Da hast du aber ganz schön was angestellt. Ich hab dich lange gesucht und hier gefunden. Lass uns wieder nach Hause reiten.“
Wir machten uns auf den Heimweg und ich wusste, dass mir dieses Mal nichts passieren würde und wenn mal wieder so ein Erlebnis sein sollte, dann sollte ich wohl besser abwarten und nicht gleich verschwinden.
Es begann wieder mein normales Leben. Was war ich froh, wieder die Nacht in meinem Zuhause verbracht zu haben. So blöd wie ich das Heu im Netz erst fand, so sehr hatte ich es doch vermisst.
Gegen Nachmittag auf der Wiese erschien meine Besitzerin bei mir und machte ein merkwürdiges Geräusch. Click! Ich hob meinen Kopf und sah sie an.
Kam das wirklich von ihr oder war das ein Vogel, der nur seltsam gezwitschert hat? Meine Besitzerin stand da und gab mir Leckerlis. Aber warum denn das? Einfach so? Normalerweise bekam ich Leckerlis, wenn ich etwas gemacht habe? Ich überlegte.
Click! Moment. Click! Ja, ich glaube, es hat etwas mit dem Geräusch zu tun, sobald dieses Geräusch kommt, dann gibt es ein Leckerli.
Das finde ich toll. Immer wenn das Geräusch kommt, dann gibt es ein Leckerli und ich brauche nichts dafür tun. Nur auf das Geräusch warten.
Da hab ich mich aber zu früh gefreut. Dies ging zwar noch ein bisschen aber am nächsten Tag da ging das dann anders los. Meine Besitzerin hatte einen kleinen gelben Wurfring in der Hand. Dies bemerkte ich aber noch nicht, denn ich wartete ab, ob wieder dieses Geräusch erklang und ich ein Leckerli bekam.
„Schau mal, ich hab hier etwas in der Hand.“
Das weiß ich doch, da ist das Leckerli. Aber warum gibt es keinen Click?
„Wenn du den Wurfring berührst, dann gibt es auch ein Leckerli.“
Ich möchte das Leckerli haben. So click doch endlich!
„Ich halte ihn dir dichter hin. Wenn du ihn zufällig berührst, dann reicht das.“
Ich möchte- Bah, jetzt war dieses Ding im Weg.
Click!
Jetzt gab es das Geräusch. Da habe ich schon die ganze Zeit darauf gewartet. Ich möchte noch mehr gib mir noch was.
„Das war doch schon gut, versuche es nochmal zu berühren.“
Schon wieder dieses Ding, das schubse ich weg.
Click!
„Genauso. Erstmal nur berühren.“
Ach so, ich soll das berühren. Das kann ich machen, wenn es dafür ein Leckerli gibt.
Click!
Richtig von mir gedacht. Dann muss ich das nur berühren und ich bekomme ein Leckerli. Das machte ich nun eine ganze Weile, bis ich auf einmal kein Leckerli mehr bekam. Warum denn? Hatte ich etwas verkehrt gemacht?
„Jetzt versuche mal, es ins Maul zu nehmen.“
Frustriert biss ich auf diesen Wurfring.
Click!
„Prima gemacht, das reicht dann auch für heute.“
Schade, dass dies wirklich das letzte Leckerli gewesen war. Mir hatte das spaß gemacht. Das war fast keine Arbeit für mich, sondern mal etwas anderes gewesen. Vielleicht würde meine Besitzerin wiederkommen.
Sie kam auch wieder, aber erst am nächsten Tag. Da ging das Training weiter. Ich wusste nun, dass ich den Wurfring ins Maul nehmen sollte und bekam auch gleich meine ersten Leckerlis.
„Prima, das hast du schnell gelernt und dann weißt du auch, was ich jetzt von dir möchte. Nur den Wurfring ins Maul nehmen und wieder hergeben. Aber ich habe noch etwas anderes, was ich ausprobieren möchte.“
Eigentlich hätte das noch eine Weile so weitergehen können. Aber auf etwas Neues war ich auch gespannt. Sie nahm nun einen großen Reifen und hielt mir diesen hin. Ich schloss darauf, dass ich diesen wohl auch ins Maul nehmen sollte, aber das war verkehrt. So probierte ich weiter.
Click!
So richtig wusste ich jetzt nicht, was ich gemacht hatte, dass es nun ein Leckerli gab. Aber dann probierte ich weiter.
Click!
Reicht es etwa, wenn ich meinen Kopf da durchstecke?
Click!
Anscheint schon. Ist auch nicht viel schwieriger als die andere Sache
Werde ich jetzt etwa ein Reitschulpony?
Bereits als meine Besitzerin mich wie sonst bürstete, war bereits jemand mit dabei. Es war ein kleineres Mädchen, als meine Besitzerin und diese schien sehr aufgeregt gewesen zu sein. Ich stand noch auf der Wiese, als ich das erste Mal ihre Stimme gehört habe.
„Oma, da ist ein Pony! Darf ich da hin?“
Nun stand sie bei meiner Besitzerin und bürstete mich mit. Ich kannte das schon. In meinem alten Stall gab es auch öfter mal Mädchen, die kamen und mich streichelten oder bürsteten. Das war auch ganz angenehm. Meine Besitzerin hatte nun auch einen passenden Sattel für mich besorgt. Der Sattel, den ich zuvor hatte, der knarrte bei jedem Schritt, den ich machte. Damit fühlte ich mich wie ein altes Pferd, was nicht mehr richtig laufen konnte. Diesen musste ich zum Glück nie wieder tragen. Seitdem ich hier bin, ritt mich meine Besitzerin mit dieser dicken Decke und dem Gurt. Da fühlte ich mich nicht so eingeengt.
Der neue Sattel war zwar etwas schwerer als mein alter und größer, aber er drückte mich nicht und das war die Hauptsache.
„Dies ist ein Westernsattel. Ich habe angefangen mit Westernreiten und festgestellt, dass mir das besser gefällt.“
„Oh ja, ich kenne immer nur diese Anderen.“
Diese Anderen waren mir auch nur bekannt, aber wie gesagt, alles kein Problem. Nachdem ich auch die Trense umhatte, da ging es los. Sie führte mich auf die Wiese. Ich spürte kurz danach, wie jemand auf mir saß. Dieses Mädchen war viel leichter als meine Besitzerin. Kein Wunder, sie war auch kleiner. Ich muss aber zugeben, eine Bezugsperson ist mir doch lieber. Jeder andere, der auf mir reitet, fühlt sich für mich anders an.
So führte mich meine Besitzerin einige Runden mit dem Mädchen bis diese abstieg und sie noch eine Runde mit mir machte. Natürlich in der Natur.
Das dachte ich, denn wir blieben diese Runde im Dorf. Aber so verkehrt fand ich das auch nicht. Das Mädchen kam mit einem Gestell mit zwei Rädern mit. Da war ich mal nicht alleine mit meiner Besitzerin. Wie schön.
Auch in den folgenden Tagen kam das Mädchen zusammen mit meiner Besitzerin, um mich zu pflegen und anschließend beim Reiten zu begleiten oder selbst zu reiten. Eines Tages kam sie aber nicht mehr, meine Besitzerin erzählte etwas von, dass sie wieder zurück in ihrer Heimat war. Dann war sie wohl nicht immer hier.
Die vielen Stiche, dieser kleinen summenden Insekten, die ich mir im Laufe der Tage zugelegt habe, jucken mich auch heute noch. Wer brauchte schon diese blöden Insekten? Hoffentlich verschwinden die auch bald wieder. Besonders in der Nacht hatte es mich schwer erwischt. Ich kann mich nicht so wirklich dagegen wehren. Was für ein Glück, dass meine Besitzerin ein Wundermittel dagegen hat, dieses lindert den Juckreiz etwas und ich habe das Gefühl, diese kleinen summenden Insekten scheinen auch nicht mehr zu kommen.
Selbst einen Ausritt konnten wir zurzeit nicht machen, da diese kleinen summenden Insekten einen dort überfielen. Furchtbar. Hoffentlich verschwinden die auch bald wieder.
„Es ist so warm da draußen. Die Luft war einfach nicht so zum Aushalten und deswegen kommen auch die Mücken. Trotzdem ist das meine liebste Jahreszeit.“
Mücken waren das also, die mich da so piekten. Wenn sie das so sagte, dann würden die wohl verschwinden, sobald es wieder etwas angenehmer wurde von den Temperaturen her. In meinem alten Stall kannte ich die Mücken nicht. Da stand ich auch die meiste Zeit nur in der Box, welche verschlossen war.
Was ich auch ganz interessant fand, das war ein großes Loch mit Wasser. Da es an diesem Tag sehr heiß war und ich nicht so richtig auf die Wiese wollte, ließ meine Besitzerin mich auf dem Hof. Dort gab es auch eine kleine Fläche mit Gras, wo ich meinen Hunger stillen konnte. Noch dazu war es viel schattiger als auf der Wiese. Das war bei den Temperaturen angenehm.
Ich ging dichter an dieses große Loch mit Wasser heran. War das ein riesengroßer Eimer mit Wasser, der dort eingebuddelt war? Ich probierte davon. Pfui, das schmeckte etwas seltsam, nicht salzig, nicht süß aber auch nicht nach Wasser. Zum trinken war es demnach nicht. Aber wofür dann?
Meine Besitzerin kam in diesem Moment und sie ging in dieses Loch hinein.
„Das tut so gut bei dieser Wärme in den Pool zu gehen. Da möchte ich gar nicht mehr raus.“
Ein Pool? Der ist dann wohl für meine Besitzerin, dass sie sich darin abkühlen kann. Ich muss zugeben, Wasser mag ich nicht so. Wenn ich mal abgewaschen werde, dann geht das noch, aber wenn ich diesen Pfützen begegne, dann ist das kalt und klebt. Deswegen futterte ich lieber weiter mein Gras und schau ihr ab und zu mal zu. Bei dieser Wärme wollte ich auch nicht mehr machen.
Eigentlich dachte ich nicht, dass ich doch nochmal meinen Stall wechseln musste. Aber meine Besitzerin erzählte immer etwas davon, dass sie wieder in ihre Heimat musste. Sollte ich etwa auch wieder da hin, wo ich eigentlich hergekommen war? Ich wusste, da wollte ich nicht hin und auch nicht irgendwo anders.
Damals, als ich vor lauter Angst bei dem langen Ausritt weggelaufen war, da war mir sehr unwohl, in diesem fremden Hof zu sein und nun sollte ich wieder weg? Ich hatte eine schöne große Wiese ganz für mich allein, ich musste nicht den ganzen Tag in der Box stehen und noch dazu hatte ich tägliche Beschäftigung. Entweder ging ich mit meiner Besitzerin raus in die Natur oder wir machten Trainingseinheiten auf dem Platz. Besonders das mit dem Click gefiel mir sehr gut, da musste ich auch nicht viel machen.
Ich merkte, dass es anders war als sonst. Ich wurde ein Stück aus dem Dorf herausgeführt, wieder einen Waldweg entlang. Es war nun nicht mehr heiß. Diese Tage waren schon längere Zeit vorbei, doch es schienen die Sonnenstrahlen zwischen die Bäume durch, welche schöne Farben trugen. Die Blätter hatten goldene oder rote Töne und man merkte an der Luft, wie angenehm das Wetter war. Ich hatte Zuhause auch beobachtet, wie meine Besitzerin diese Blätter mit einem langen Stock, wo am Ende Metallstreben waren, zusammengefegt hatte.
Jedenfalls liefen wir eine weite Strecke. Warum sie da nicht geritten ist, das frage ich mich auch heute noch. Vielleicht wollte sie damit verhindern, dass ich dachte, wenn sie in diese Richtung reiten würde, dann würde ich nicht mehr nach Hause kommen.
Nach dieser langen Strecke im Wald erreichten wir einen Feldweg und nach diesem Feldweg, kam auch bald eine Wiese, wo mir schon drei Pferde entgegenkamen. Die waren aber groß. Da wirkte ich fast noch kleiner, als ich schon war. Viel Gras hatten sie dort nicht mehr. Auf der Wiese lagen eher mehr Blätter herum. Wir gingen weiter und ich wurde auf einen Hof geführt, hinein in einen dunklen Stall, wo sich noch weitere Boxen befanden.
Nachdem ich mich einen kurzen Augenblick umgesehen hatte und ich wusste, dass nur noch ein Pferd da war, ging es rein in die Box. Da ich so klein war, konnte ich nicht viel sehen, was außerhalb geschah. So begann ich, das Stroh in der Box genauer zu untersuchen. Ehe ich mich versah, gab es auch schon Heu. Damit nahm meine Besitzerin mir das Halfter ab.
„Wir sehen uns bald wieder.“
Ich glaube, inzwischen sind bereits einige Monate vergangen, seitdem ich meine Besitzerin nicht mehr gesehen habe. Erst kam die Zeit mit den vielen Blättern, wo ich durch den Wald geführt wurde in den anderen Stall und dann dieses kalte, weiße Pulver, das einem zwischen den Hufen kleben bleibt.
In dem Stall fühlte ich mich wie damals, was nun lange her war. Die anderen Pferde konnte ich nicht sehen, weil ich so klein war und nicht über das Boxengitter gucken konnte. Die Tage, die ich nur in der Box verbrachte, waren für mich deprimierend und ich kaute nur an meinem Heu herum.
Aber die Tage, als meine Besitzerin kam und mich aus der Box holte, waren umso schöner.
Sie ritt mich zwar nicht, aber sie ging draußen mit mir spazieren und so langsam gewöhnte ich mich auch an dieses kalte, weiße Pulver und fand meinen Gefallen daran. Es knisterte so schön, wenn ich da durchlief und hinterließ Spuren. Wenn ich atmete, dann spürte ich förmlich, wie die klare, wenn auch kalte Luft, durch meine Lunge strömte. Es tat mir gut, nachdem ich noch nie in meinem Leben zuvor, diese schöne Jahreszeit sehen konnte.
Es gab sogar mal einen Tag, da knallte es draußen sehr laut und es blitzte immer wieder. Ich spitzte die Ohren und hatte etwas Angst. Was war da draußen nur geschehen, dass es so ein Krach war? Meine Artgenossen bleiben jedoch ruhig. Ich konnte sie zwar nicht sehen, aber ich hörte wie sie weiterhin an ihrem Futter kauten, als sei nichts gewesen.
Wer weiß. Am nächsten Tag war alles wie sonst auch und ich machte mir keine weiteren Gedanken über dieses laute Knallen und Blitzen.
Ich stellte nur fest, dass es sehr schnell dunkel wurde. Im Gegensatz zu den warmen Temperaturen, wo ich viel länger auf der Wiese bleiben konnte, war es nun im dem Stall schnell dunkel und kalt.
Apropos Wiese, leider war die Wiese bei diesem Stall sehr klein und da durfte ich nicht raus. Ich frage mich nur, warum eigentlich?
Aber egal, dann genoss ich die Spaziergänge und die schönen Lichter, welche die Häuser zu dieser Jahreszeit hatten.
Eines wollte ich nur zu gerne wissen.
Blieb ich nun für immer in diesem Stall?
Nein, ich möchte das nicht. Ich möchte wieder zurück, dorthin, wo meine Besitzerin wohnt.
Aber wird sie mich wieder mitnehmen?
An manchen Tagen drängte ich in die Richtung des Waldes, aus welcher sie mich hergeführt hatte, doch sie drehte einfach um und ging in die andere Richtung.
Mir blieb nichts weiter übrig, als zu hoffen.
Zu hoffen, dass das kalte, weiße Pulver verschwinden würde, die Lichter ausgingen und die Tage wieder länger wurden...
Eines Tages war es so weit. Ich hörte wie jemand an meine Stalltür kam und sie öffnete. Es war eine Weile vergangen seit dem letzten Besuch meiner Besitzerin. Ich stand oft tagelang einfach nur in der Box herum und nichts geschah. Ich wusste nicht mal, ob es draußen noch kalt war oder ob endlich die Zeit gekommen war. Nun konnte ich etwas sehen. Das weiße Pulver war verschwunden und die Luft fühlte sich auch nicht mehr kalt an. Ich hörte sogar die Vögel zwitschern.
War es wirklich vorüber? Durfte ich endlich wieder nach Hause? Meine Besitzerin zog mir nun das Halfter über und führte mich nach draußen. Was war das nur für ein herrlicher Anblick. Das Gras war grün und mittendrin entdeckte ich Butterblumen. Wie gerne hätte ich eines davon gefuttert, aber ich wurde schon wieder angebunden.
Moment mal, das hieß doch dann…
„Ich werde dich satteln und wir reiten jetzt nach Hause.“
Da hätte ich keine schönere Freude haben können für diesen Tag, als wieder in meinem alten Stall anzukommen. Ich war aufgeregt und konnte es nicht mal erwarten, dass der Sattel festgezogen war und die Trense nahm ich schon freiwillig (auch wenn ich dieses Metallding immer noch voll blöd finde), nur damit es endlich losgehen konnte. Das ging es dann auch. Meine Besitzerin lief ein ganzes Stück neben mir, ehe sie aufstieg.
Der Weg, den wir gingen, war wundervoll. Bereits im Dorf hatte man gesehen, dass die Leute Eier in den Bäumen aufgehangen hatten (genauso eine Sache, wie mit den Lichtern, die ich nicht so verstehen kann) und auf dem Weg begleitete uns das Vogelgezwitscher inmitten einer Blütenpracht.
Der Weg war schmal und gepflastert, wieder hörte ich meine Hufe klappern und spürte, dass der Boden nicht weich war. Doch diese Blütenpracht der Bäume, die uns den Weg wiesen, war einfach nur herrlich – und es duftete. Das war der Duft, dass die kalte Zeit vorbei war und nicht nur eine herrlich grüne Wiese mit Butterblumen auf mich wartete, sondern auch die Sonne mir wieder entgegen lachen würde.
Diese Jahreszeit war die Schönste für mich.