Neulich hat die Katze mir beim Schreiben zugesehen und mich gefragt, was ich denn schreibe.
Dann kam mir die Idee.
"Darf ich etwas über dich schreiben? Dann erzähle mir deine Geschichte."
Katze, die eigentlich ein Kater war:
"Aber mit Vergnügen. Höre mir gut zu..."
Ich öffnete zum ersten Mal in meinem Leben die Augen. Zuvor hatte ich immer nur Geräusche und Gerüche wahrgenommen. Das war ein ganz besonderer Moment. Ich wurde mir meiner Umwelt bewusst und lernte, die Dinge einzuordnen. Die Welt wirkte mich für anders, als ich mir das so ansah. Neben mir lag ein helles Fellknäul. Ich war ein dunkles Fellknäul mit einem auffallenden weißen Latz an der Brust, rund um die Nase hatte ich auch eine weiße Zeichnung und weißen Pfoten.
Wahrscheinlich war das andere Fellknäul meine Schwester, denn ich erinnerte mich, dass wir nur zwei Neugeborene waren. Warum auch immer. Auch wenn erzählt wurde, dass eigentlich mehr Kätzchen auf die Welt kommen als nur zwei. Aber das war nicht wichtig. Wir waren gesund und das war wichtig.
Ich versuchte, mich zu erheben, aber ich merkte nur, wie ich mich entlangschleichen konnte. So richtig gefiel mir das nicht und ich versuchte, zu mauzen. Das, was ich da für ein Geräusch hervorbrachte, war jedoch sehr merkwürdig.
Ich piepste wie ein junges Vögelchen.
Aber wo war denn meine Mutter? Weit und breit konnte ich sie nicht entdecken. Ich wusste, dass ich nicht stark genug war, um mich weiter von meinem Nest zu entfernen, so kroch ich wieder zu meiner Schwester zurück und wartete ab.
♪
Es müssen wohl einige Tage vergangen sein, zumindest kann ich mich nicht mehr erinnern, was zuvor geschehen war. Inzwischen konnte ich gut laufen und verließ immer öfter mein Zuhause. Mein Zuhause war nun ein anderer Ort als zuvor oder ich erinnerte mich nicht mehr daran. Wir wohnten in einem Baum.
Es war ein großer Baum mit rosafarbenen Blättern. Natürlich konnte ich gut klettern, da hätte unser Bau auch höher gelegen sein können. Doch der Eingang befand sich am Boden, in einem großen Loch im Stamm. Es war dort nicht sehr groß, aber ich fühlte mich sicher und wohl.
Heute war ein Tag, da sollte ich nicht alleine auf Erkundungstour gehen. Unsere Mutter war nicht da, sie war wie immer auf ihrer Runde, um für unser Futter zu sorgen.
„Hey“, begann meine Schwester und stupste mich mit der Pfote an.
Ich stand schon im Eingang und wollte mich gerade auf den Weg machen.
„Lass uns doch mal zusammen ein Abenteuer erleben. Mit dir traue ich mich weiter raus.“
Meine Schwester hatte sich von ihrem Platz nie weiter entfernt als nur ein paar Meter abseits des Stammes. Unsere Mutter hatte uns gelehrt, dass nur Kater die Stärke und den Mut hätten, den Bau weiter zu verlassen.
„Du weißt doch, dass Mutter gesagt hat, dass nur ich lernen soll, wie man für seine Familie sorgt und deshalb mich weiter entfernen kann. Du bleibst hier und lernst, wie man im Notfall sein Zuhause verteidigt und die anderen Dinge.“
Wieder stupste sie mich mit der Pfote an.
„Lass mich doch auch mal ein wenig Spaß haben, Timothy. Immer nur herumsitzen und warten, dass Mutter wieder kommt und mir zeigt, wie ich das Zuhause verteidigen kann, wenn mal jemand reinkommt, der nicht hierhergehört, ist langweilig. Lass mich doch einmal mit dir mitkommen. Was soll denn schon passieren? Du bist doch dazu da, um auf mich aufzupassen.“
Sie schnurrte nun und schmiegte sich an mich. Darauf gab ich nach.
„Na gut, Macy, dann komm mit mir mit. Aber du bleibst in meiner Nähe, ja? Wenn Mutter das erfährt oder dir etwas passiert, dann sind wir dran.“
„Ich passe auf.“
Freudig wedelte ihr Schwanz die ersten Meter hin und her, als wir den Bau verließen.
So lief ich gemeinsam mit Macy meine tägliche kleine Runde. Ich kam an der großen Wiese mit den summenden Bienen vorbei. Ehe ich mich versah, stürmte Macy da hinein und versuchte, die Bienen zu fangen.
„Macy!“, rief ich sie lauthals zurück.
„Die Bienen sind gefährlich, sie können dich stechen und dann kann dir deine Pfote lange Zeit weh tun. Halt dich von ihnen fern.“
Sie schien meine Rufe jedoch überhört zu haben oder das Summen der Bienen in dem schönen Blumenfeld hatte es übertönt. Als ich genauer hinsah, entdeckte ich jedoch, dass sie nicht versuchte, eine Biene zu fangen, sondern hinter einem blauen Schmetterling hinterher war. Dieser flog auf und ab und sie hüpfte dazu im Rhythmus.
Wenn ich mir das so ansah, dann war es sehr amüsant. Wir hatten Frühling. Im Frühling kamen nicht nur die Schmetterlinge zum Vorschein, auch die anderen Tiere erwachten so langsam wieder zum Leben. So hatte es mir zumindest unsere Mutter erklärt.
Schließlich hatte Macy es tatsächlich vollbracht, diesen Schmetterling zu fangen. Mit ihm im Maul kehrte sie stolzierend zu mir zurück. Sie ließ diesen vor meinen Pfoten fallen und drückte mit der Pfote darauf, sodass er nicht wegfliegen konnte.
„Das war mein erster Fang“, begann sie stolz.
„Jetzt erzähl du mir nochmal, ich soll den ganzen Tag nur im Bau herumhängen. Ich habe doch was drauf.“
„Ich gebe zu, dafür dass du das erste Mal draußen warst und auch wenn es nur ein Schmetterling ist, bin ich beeindruckt von dir.“
Ich sah, wie ihre Schnurrhaare vor Freude vibrierten.
„Dann sollte ich ihn wieder freilassen. Zum Essen ist er nicht gedacht“, sagte sie nun und hob vorsichtig ihre Pfote.
Es geschah jedoch etwas, was ich noch nie zuvor gesehen hatte. Es schien, als wollte der Schmetterling nun nicht mehr fliegen.
„Nanu, mag er gar nicht mehr fliegen oder habe ich ihn verletzt?“, fragte sich Macy.
Noch ehe ich antworten konnte, da sprach der Schmetterling.
„Ihr habt ein gutes Herz, ihr beiden. Eure Herzenswärme wird eines Tages jemandem das Leben retten.“
Mit diesen Worten flog er davon und hinterließ lauter Fragen.
„Habe ich mir das eingebildet oder konnte der Schmetterling wirklich sprechen?“
Ich hielt einen Moment inne und dachte nach, ehe ich ihr eine Antwort gab.
„Du hast dich nicht geirrt. Dieser Schmetterling schien etwas Besonderes gewesen zu sein.“
Still schweiften beide ihren Blick über das Blumenfeld, ehe sie sich wieder auf den Weg zurück zu ihrem Bau machten.
Die Zeit war vergangen. Inzwischen blühten die Blumen nicht mehr und eine unerträgliche Wärme machte sich breit. Macy kam in letzter Zeit öfter mit mir mit auf meiner Entdeckungsrunde. Wir beide haben uns weiterentwickelt. In den vergangenen Monaten sind wir reifer geworden. Ich hatte es vollbracht, einen Tag eine große Maus zu fangen, welche uns alle sättigte, während Macy eines Tages unseren Bau verteidigt hatte, als sich eine fremde Katze darin ansiedeln wollte. Seit diesem Tag durfte sie auch offiziell mit mir mitkommen auf meine Erkundungstouren.
Wir waren nicht die einzigen Katzen, die dort lebten. Mutter hatte uns gelehrt, dass wir stehts auf der Hut sein sollten. Nicht alle Katzen können freundlich sein.
Wir waren unterwegs zum Feld der großen Sonnenblumen, welche nur zu dieser warmen Jahreszeit blühten.
„Puh“, stöhnte Macy.
„Es ist so heiß, da hätte ich wohl heute doch im Bau bleiben sollen. Meine Pfoten fühlen sich so schwer an.“
„Dann lass uns für heute nur eine kleine Runde gehen. Ich habe selbst bei diesem Wetter nicht so richtig Lust, etwas zu tun.“
So standen wir nun vor dem Sonnenblumenfeld und gingen näher an eine davon heran.
„Es ist so ein schöner Anblick. Doch diese Blumen sind so groß. Ich komme da nicht mal ran.“
Macy stellte sich auf die Hinterbeine und holte mit ihrer Pfote aus, um eine Sonnenblume zu berühren, doch dabei stolperte sie und plumpste wieder auf den Boden.
„Ich gebe dir recht“, sagte sie belustigt.
„So schön die Blumen auch sein mögen, doch diese kannst du wohl nicht so einfach fangen wie damals den Schmetterling“, sagte ich zu ihr.
Sie rappelte sich wieder auf und leckte sich etwas Sand aus dem Gesicht.
„Einfacher geht anders. Ich finde, dass diese Blumen so besonders sind. Anders als die anderen.“
Mit einem Mal hörten wir ein Fauchen aus der Ferne.
„Das Gebiet gehört zu mir, diese Blumen sind meine!“
Es erklang eine krächzende laute Stimme.
Darauf antwortete eine ruhige, aber gehobene Stimme:
„Du kannst nicht alles für dich beanspruchen. Du bist nicht alleine auf dieser Welt und du solltest lernen zu teilen.“
„Mach dich auf etwas gefasst!“
Mit diesen Worten ertönte lautes Geschrei. Ehe ich etwas zu Macy sagen konnte, traf ich die Entscheidung, dort hinzugehen. Sie lief mir hinterher, vermutlich hatte sie den gleichen Gedanken gehabt. Etwas weiter, inmitten der Blumen sahen wir einen großen struppigen grauen Kater, welcher sich auf einen schwarzen Kater gestürzt hatte. Dieser versuchte sich mit allen Mitteln gegen ihn zu wehren. Doch er war viel kleiner und im Nachteil.
„Ich werde ihm helfen, ehe er groß verletzt wird.“
Was ich mir da genau gedacht hatte, weiß ich bis heute nicht. Ich hatte vermutlich Mitgefühl und wollte, dass der Frieden in der Welt lag. Auch wenn ich nicht darüber nachgedacht hatte, dass ich eigentlich noch kleiner als der schwarze Kater war.
So befand ich mich auf dem grauen Kater, fuhr meine Krallen aus und bohrte sie in seinen Rücken. Vor Schmerz ließ er von dem schwarzen Kater ab, dass dieser sich aufrappeln konnte.
„Was fällt dir kleiner Krümel ein, dich einzumischen?“
Der Kater sah mich mit einem boshaften Blick an und zückte seine Krallen.
„Von dir soll ich mir auch sagen lassen, was ich zu tun habe? Das kannst du vergessen!“
Ehe ich mich versah, setzte er zum Angriff an, doch sein Angriff ging daneben, da sich nun Macy mit einem geschickten Sprung auf ihn schmiss und er nun unter ihr lag.
„Wer hat hier nun verloren?“
Brummend sagte er nun:
„Für dieses Mal habt ihr gewonnen. Ihr seid in der Überzahl. Dann bin ich euch unterlegen.“
Macy ließ ihn frei und er eilte davon.
Der schwarze Kater kam nun auf sie zu.
„Ihr hab Mut bewiesen, ihr beiden. Lasst mich euch euren Dank aussprechen. Aber seid vorsichtig. Auch an Orten, wo man eigentlich denkt, man ist sicher, da lauern die Gefahren.“
Er deutete mit seinem Schwanz in die Richtung der Sonnenblumen.
„Schaut genau hin. Hier gibt es eine Sonnenblume, die anders ist als die anderen. Ihr müsst sie nur finden.“
In dem Moment, als ich mich mit Macy umsah, war der Kater plötzlich verschwunden und an seiner Stelle stand eine Sonnenblume, welche anderes war, als die anderen.
„Seltsam, wo ist er nun hin? Da steht auch plötzlich eine orangene Sonnenblume“, begann ich.
Wir gingen beide darauf zu und beschnupperten sie. Sie war kleiner als die anderen, aber etwas Besonderes.
„Es gibt keine schöneren Tage auf der Welt, als wenn alle friedlich miteinander leben“, hörten sie ein Flüstern.
Wieder war einige Zeit vergangen und inzwischen war es Zeit, dass wir ausziehen sollten. Unsere Mutter hatte uns noch gesagt, dass wir von nun an auf uns allein gestellt sind. Wir sind zu anmutigen Katzen herangewachsen und wir haben gelernt, uns und unser Zuhause zu verteidigen.
Es fiel uns gegenseitig schwer, aber wir wussten, so könnten wir unser eigenes Leben führen, wie unsere Mutter es tat. Auch wenn das Gefühl der Einsamkeit in den ersten Tagen überwog, so gewöhnten wir uns daran und wir wussten auch, wo der andere war. Während unsere Mutter im alten Bau verblieb, richtete sich Macy eine Höhle in einem alten Strohbund ein und ich fand eine leerstehende Hütte, welche zwar verfallen war, aber sich dennoch anbot.
An manchen Tagen machten wir unsere Runden und entdeckten die Welt und an anderen Tagen statteten wir uns gegenseitig einen Besuch ab. Entweder kam Mutter zu einem von uns, wir gingen zu ihr oder Macy und ich besuchten sich gegenseitig.
Diese Jahreszeit hatte etwas besonderes an sich. Die Blätter leuchteten an den Bäumen in verschiedenen Farben. Bei meinen täglichen Runden begegnete ich Igeln, welche aus Blätterhaufen hervorkamen oder am Boden entlangschnüffelten, um nach Futter zu suchen.
Es kam jedoch ein Tag, an dem alles anders sein sollte, als sonst. Ich war auf dem Weg zum Bau meiner Mutter, während ich bereits aus der Ferne einen Geruch wahrnahm, der mir fremd erschien. Es war ein äußerst unangenehmer Geruch. Er biss mir regelrecht in die Nase. Welches Bild sich mir offenbarte, als ich vor ihrem Bau stand, werde ich wohl nie vergessen. Ich sah rote Spuren. Diese Spuren führen ins Innere. Mir gingen schlimme Gedanken durch den Kopf, welche sich als wahr erwiesen. Meine Mutter war tot. Ich ging dichter an ihren leblosen Körper heran und berührte ihn mit der Pfote. Er war kalt. Es musste in der Nacht ein Unheil geschehen sein.
Lange konnte ich jedoch nicht darüber nachdenken, da spürte ich wie sich Krallen in meinen Körper bohrten und ich aus dem Bau gezogen wurde.
„Ich habe doch gesagt, dass ich mich nicht geschlagen geben werde. Schon gar nicht von so einem Krümel wie dir.“
Mir kam die krächzende Stimme bekannt vor.
„Jetzt wirst auch du daran glauben müssen und deine Schwester wird die Letzte sein. Versuche dich zu wehren, aber es wird dir nicht gelingen.“
Ich sah auf und erkannte den grauen Kater, zusammen mit einem weiteren verstrubbelten grauen Kater, welche nun über mir stand und seine Krallen gezückt in die Höhe hielt. Ein Gefühl voller Hass machte sich in mir breit. Nicht nur, dass er vor einigen Monaten diesem schwarzen Kater zu Nahe gekommen war, so hatte er tatsächlich meine Mutter getötet. Ich nahm all meinen Mut und meine Kraft und stoß ihn mit meinen Hinterbeinen von mir hinunter. Das ich das geschafft hatte, war ein Wunder, wo er doch viel größer und stärker als ich war.
Der Kater rappelte sich wieder auf und lachte hinterlistig.
„Wie schön. Du versuchst dich zu wehren. Was anderes hatte ich auch gar nicht erwartet. Allerdings bist du alleine und wir sind zu zweit.“
Schon spürte ich, wie mich erneut scharfe Krallen packten, ich auf den Boden gedrückt wurde und der Kater vor mir stand.
„Dann soll dies jetzt dein letzter Tag gewesen sein.“
Ich konnte mich nicht rühren. Der andere Kater war zu stark und hielt mich fest mit seinen Krallen, während er erneut seine Krallen zückte und die Pfote hob.
Diese würde mein Ende sein. Ich wusste, dass ich keine Chance hatte. Ich konnte mich nicht mal bewegen. Ich wartete, bis ich einen Schmerz spürte und kniff die Augen zu. Doch dieser Schmerz kam nicht. Ich öffnete meine Augen wieder und sah Macy vor mir stehen, welche den Kater nun auf den Boden geschmissen hatte.
„Was wagst du es, meinen Bruder anzugreifen und unsere Mutter zu töten? Es gibt keine schlimmere Tat im Leben, als jemandem das Leben zu nehmen“, fauchte sie.
Mit diesen Worten versetzte sie ihm einen ordentlichen Kratzer ins Gesicht, ich sah wie das Blut tropfte.
„Verschwinde. Du wirst gegen uns nicht ankommen. Auch nicht mit Verstärkung.“
Zu meinem Erstaunen verschwanden die beiden Kater darauf. Sie hatten immerhin schon genug Unheil angerichtet.
Macy kam zu mir.
„Du siehst schlimm aus. Dein Rücken ist blutig. Ich werde dich versorgen, damit es nicht schlimmer wird.“
Darauf kam sie mit einem rosanen Blatt an, welches sie zuvor aus dem Bau unserer Mutter geholt hatte.
„Mutter hatte mir gesagt, dass sie dieses Blatt von einem besonderen Baum geholt hatte. Es kann Wunden heilen.“
Macy nahm das Blatt ins Maul, sagte zu mir, dass ich mich hinlegen sollte und kurz danach spürte ich eine angenehme Wärme. Es waren wohl Tropfen aus dem Blatt herausgetreten, welche meine Wunden verschwinden ließen, so als sei nichts gewesen.
„Woher weißt du das mit dem rosa Blatt?“
Macy zuckte zufrieden mit den Schnurrhaaren.
„Mutter hatte mir gelehrt, wenn mal etwas passieren sollte, dann hätte sie immer etwas versteckt, was uns helfen sollte, wieder gesund zu werden. Wo sie es herhatte, weiß ich auch nicht.“
Wir gingen einige Schritte zurück und blicken nach oben. Der Baum, in welchem sich auch der Bau befand, trug fast keine Blätter mehr, als sei das Leben vorzeitig aus ihm erloschen.
„Ihr werdet noch vieles in eurem Leben erleben. Fühlt ihr euch einsam, dann denkt an den anderen. Er wird in Gedanken immer bei euch sein, egal was passiert ist. Tief in eurem Herzen fühlt ihr einen Zusammenhalt, der euch bestärken wird, egal wo euch euer Weg führen mag.“
Diese Worte gingen uns beiden durch den Kopf und wir fühlten uns, als würde unsere Mutter noch vor uns stehen und zu uns sprechen.
Inzwischen war es draußen kalt geworden. Die Igel und die Blätter der Bäume waren verschwunden. Dafür fielen eines Tages weiße Flocken vom Himmel. Dies musste der Schnee sein, wovon uns unsere Mutter erzählt hatte. Als ich das erste Mal auf ihm entlanglief, da spürte ich zwar, wie weich dieser war und auch die Kälte, aber ich fand es nicht so schlimm wie erwartet. Hinterher fühlten sich die Pfoten kalt an, aber ich konnte mich doch schnell wieder erwärmen, wenn ich in meinem Schuppen ankam und sie unter etwas Stroh versteckte.
Seit dem Tag, als meine Mutter von uns gegangen war, schien auch den Baum das Leben verlassen zu haben. Die Äste wurden trocken und der Bau zerfiel, als sollte es Schicksal sein, dass auch dieser verschwinden sollte.
Während der Kälte wurde es auch viel schneller dunkel. Nachts war das Leben auch aufregend und ich fand den Reiz, meine Spaziergänge auf die Dunkelheit zu verlegen.
Es wirkte während dieser Spaziergänge anders, ob das an der Jahreszeit lag? Vermutlich. Nichts war weit und breit zu sehen. Es hatte wieder begonnen, dass die weißen Flocken vom Himmel fielen. Ich störte mich nicht daran und setzte meinen Weg fort bis ich an einem See ankam. Doch dieser See sah anders aus. Ich ging dichter heran und wollte mit meiner Pfote das Wasser berühren, doch das ging nicht.
Das Wasser war hart. Wie konnte das sein? Das musste daran liegen, weil es draußen so kalt war, deswegen würde es wohl einfrieren. Ich setzte meinen Weg fort bis ich an einem großen Schuppen ankam. Dieser Schuppen war im Gegensatz zu meinem Schuppen nicht zerfallen und aus Steinen gebaut. Mutter hatte immer gesagt, dass wir uns von solchen Bauten fernhalten sollen, da in ihnen die Menschen wohnten und die Menschen auch unsere Feinde sein konnten, indem sie Dinge nach uns schmeißen.
Ich sah, wie sich die Tür öffnete und ein großer und ein kleiner Mensch herauskamen. Schnell versteckte ich mich hinter einer verschneiten Hecke. Es war sehr laut und mir erschien es, als würden sich die Menschen streiten. Dies ging so lange bis der große Mensch wieder ins Haus ging und der kleine Mensch draußen blieb und sich auf den Boden setzte.
Mutter hatte immer gesagt, dass es den Menschen im Winter zu kalt war, um ihre Schuppen zu verlassen, aber warum saß der kleine Mensch dann nun im Gras?
Meine Neugierde überwog und ich kroch langsam aus der Hecke hervor. Aber ich blieb vorsichtig und bei jedem Rascheln, was in meinen Ohren erklang, da blieb ich auf Fluchtbereitschaft. So näherte ich mich dem Menschen und ich sah, wie kleine Tropfen aus seinem Gesicht auf den Schnee fielen. Hatte der große Mensch ihn etwa verletzt?
Ich ging vorsichtig noch ein Stück dichter ran und blieb noch unbemerkt, aber ich erkannte, dass diese Tropfen keine rote Farbe hatten. Wenn der Mensch nicht verletzt war, was war es dann?
Ich wollte es genauer wissen und hörte nun ein Geräusch, welches ich noch nie zuvor gehört hatte. Dieses Geräusch drang in mein Herz und sagte mir, dass mir nichts geschehen würde. Damit wurde mir klar, dass ich mich dem Menschen nähern konnte, auch wenn es mir unheimlich schien, warum ich plötzlich so eine Entschlossenheit hatte.
Ich war so dicht angelangt, dass der kleine Mensch mich sehen konnte und ich war erstaunt, dass er sprechen konnte.
„Wo kommst du denn her? Es ist doch viel zu kalt hier draußen“, hörte ich eine liebliche Stimme.
Wenn ich den Menschen verstehen würde, würde er mich auch verstehen? Im Hinterkopf hatte ich immer noch den Gedanken, dass ich vorsichtig sein musste, doch mein Herz sagte mir etwas ganz anderes und ich folgte ihm.
„Diese Frage müsste ich dir stellen. Weswegen bist du hier draußen, wo es doch so kalt ist und der Schnee gefallen?“
Erstaunt sah der kleine Mensch mich an.
„Du kannst ja sprechen“, brachte er erstaunt hervor.
Belustigt antwortete ich ihm:
„Natürlich kann ich das, du kannst es ja auch.“
„Aber ich bin ein Mensch und du bist eine Katze.“
„Das ist wohl wahr. Aber es gibt Dinge im Leben, die einem zeigen, dass man sein Leben nicht aufgeben soll und dass das Leben etwas besonderes und einzigartiges ist.“
Wie ich auf diese Worte gekommen bin, das weiß ich nicht mal bis heute nicht so genau. Dieser kleine Mensch wirkte auf mich so traurig und ich wollte ihn glücklich machen.
Unter seinem nassen Gesicht sah ich ein kleines Lächeln.
„Das ist aber lieb von dir, dass du versuchst mich aufzumuntern. Du hast schon recht. Es werden auch wieder andere Tage kommen.“
Nun hockte sich der kleine Mensch hin und hielt mir die Hand hin, dass ich sie beschnuppern konnte.
„Ich bin Willy. Verrätst du mir auch deinen Namen?“
„Mein Name ist Timothy und meine Geschichte ist lang. Ich kann dir etwas davon erzählen, wenn du möchtest.“
Was würde wohl Macy dazu sagen, wenn ich ihr erzählen würde, dass ich Kontakt zu einem Menschen gefunden habe? Würde sie es mir glauben? Gleichzeitig kamen mir auch die Worte des Schmetterlings, welchem wir im Frühling begegnet waren in den Kopf.
„Ihr habt ein gutes Herz, ihr beiden. Eure Herzenswärme wird eines Tages jemandem das Leben retten.“
„Macy hatte mir das Leben gerettet und ich hatte dir das Leben gerettet, weil du mir erzählt hattest, dass du in den kalten See gehen wolltest. Du wärst dort erfroren. Doch ich habe dir wieder zu deiner Lebensfreude verholfen.“
Ich beschloss, diese Geschichte aufzuschreiben. Denn ich fand, dass diese Geschichte mehr erzähle, als nur die Geschichte einer Katze.