Nicht nur die Ostsee war ein guter Ort, um Stella unvergessliche Erlebnisse zu bescheren, auch die Stadt eignete sich dafür. Sie hatte sich städtetypisch ein Hochhaus ausgesucht mit 21 Etagen und war begeistert davon, wie schön der Ausblick aus der 20. Etage war. Man konnte bis weit in die Stadt hineinschauen und ein Wahrzeichen erkennen.
Bereits kurz nach ihrer Anreise, nachdem sie ihre Sachen in ihrem Zimmer ausgepackt hatte, machte sie sich auf den Weg nach draußen und wollte sich ein wenig die Stadt anschauen.
Doch auf ihrem Weg dorthin, hörte sie jemanden rufen:
»Hallo, na wo soll es denn hingehen?«
Sie drehte sich um, doch dort war niemand.
Hatte sie sich das nur eingebildet?
»Schau mal hier nach oben, da bin ich.«
Stella setzte die Worte in die Tat um und sie sah eine etwas ältere Frau aus einem Fenster der zweiten Etage schauen.
»Du machst hier Urlaub und bist in der Gästewohnung, na dann wünsche ich dir viel Spaß!«, fügte diese nun hinzu.
Etwas verwirrt sagte Stella lediglich: »Dankeschön, das ist nett« und sie machte sich auf den Weg - zumindest war sie fünf Meter weitergekommen, ehe sie wieder aufgehalten wurde.
Vor ihr stand ein etwas stämmigerer Mann mittleren Alters, der einen Beutel in der Hand trug und in der anderen Hand hielt er einen Schlüssel.
Stella vermutete, dass er wohl vom Einkaufen kam und wieder in seine Wohnung zurückwollte, doch da hatte sie sich geirrt.
Dieser Mann hatte auch gute Laune, so wie er sie begrüßte:
»Hallo! Na du, hast du Lust mit mir im Müll zu stöbern? Ich finde da die interessantesten Sachen.«
Kein Wunder, dass Stella ihn bei den Worten erstmal nur entsetzt ansah. Der Mann war davon jedoch unbeeindruckt und klimperte hörbar mit dem Schlüssel.
»Da bist du jetzt platt, deswegen komm mit mir mit und siehe es dir an, dann wirst du staunen.«
Er wirkte, auch wenn das im ersten Moment seltsam rüberkam, freundlich und humorvoll, daher entschied sie sich, seinen Worten zu folgen.
»Ehrlich gesagt, habe ich bis jetzt immer gedacht, dass man im Müll nichts Wertvolles finden kann, doch wenn das so ist«, entgegnete sie.
»Lass dich überraschen«, mit diesen Worten von ihm, schritt sie den Weg wieder zurück – zumindest vier Meter, bis sie die Stimme der Frau erkannte, die noch aus dem Fenster schaute.
»Na du Rumtreiber, wo warst du wieder gewesen?«
Diese Worte waren an den Mann gerichtet.
»Ach Ursula, du weißt doch, dass ich nochmal schnell runter bin, weil mir eine Kleinigkeit an Essen gefehlt hatte und nun-«
» - nun gehst du wieder im Müll stöbern. Na dann wünsche ich dir viel Spaß. Zu zweit sollte man den auch haben«, unterbrach Ursula den Mann und verschwand.
Zumindest steckte sie ihren Kopf wieder in die Wohnung.
»Manchmal ist das echt nervenaufreibend. Egal, wann man kommt, Ursula ist bestimmt da, guckt aus dem Fenster und sieht dich, was du tust«, seufzte der Mann während er weiter in Richtung Müllcontainer schritt.
»Kommst du vom Einkaufen: »Na du Rumtreiber?«
Kommst du vom Park: »Na du Rumtreiber?«
Kommst du vom Müll wegbringen: »Na du Rumtreiber?««
Der Mann blieb kurz stehen und Stella ebenso.
»Ihr Mann hat sich da etwas von ihr abgeguckt, denn er ist noch bes-ser. Wenn ich abends mal vor dem Fernseher einschlafe und man es dann noch in der Wohnung flimmern sieht, dann sieht er das und schaut nach oben.
Dazu sollte ich vielleicht sagen, dass ich in der 17. Etage wohne. Demnach zählt er alle Fenster ab, bis er bei meinem angekommen ist und dann begrüßt er mich am nächsten Morgen mit den Worten: »Du warst aber gestern lange wach. Um 4h war bei dir noch Licht an.««
Einen Moment hielt Stella inne, ehe sie eine Antwort hervorbrachte.
»Was bin ich hier nur für einem seltsamen Mann begegnet? Nicht nur, dass dieser ununterbrochen redet, so erzählt er mir über seine Nachbarn und nun gehe ich mit ihm im Müll wühlen.«
»Stimmt, da fühlt man sich beobachtet und man denkt, dass manche Leute nichts zu tun haben. Aber, ich frage mich, warum der Mann nachts um 4h draußen ist. Er wird doch nicht extra wegen dir nach draußen gehen?«
Der Mann lachte.
»Stimmt, das hatte ich vergessen zu erwähnen. Er trägt die Zeitung aus und daher ist er schon so früh auf. Noch bevor er sich auf den Weg macht, da kann er es nicht lassen, einen Blick nach oben zu werfen.«
Er schritt nun weitervoran bis er an einem umzäunten Gelände ankam.
Darauf klimperte er erneut hörbar mit dem Schlüssel, steckte diesen rein und öffnete die Tür zu den Containern. Nun ging er hinein, gefolgt von Stella. Erstaunlicherweise machte er auch schon einen Fund. Einer der Plastikcontainer war so voll, dass er nicht mal mehr zuging und darauf lag tatsächlich eine Spielekonsole.
»Das ist ein Nintendo 64 in der Pikachu Edition. Wie kann man sowas nur entsorgen?«
Diese Worte kamen nicht von Stella, sondern auch von dem Mann, welcher sich ihr passenderweise nun vorstellte.
»Oh, ich war wohl auch etwas unfreundlich gewesen. Ich heiße Peter und wohne hier, doch das solltest du dir schon gedacht haben.«
Er wand sich ihr wieder zu und hielt nun die Spielekonsole samt Kabel und Controller in den Händen.
»Eigentlich habe ich mich in dem Moment viel mehr gewundert, wa-rum du dich mit der Materie Spielekonsole auskennst. Das sollten Leute in deinem Alter eigentlich nicht kennen. Versteh mich nicht falsch“, antwortete Stella etwas belustigt.
»Alles gut. Das kommt daher, weil ich einen Nintendo DS Zuhause habe und mit diesem gerne alle möglichen Spiele spiele. Da soll mir nochmal einer kommen, dass diese Gerätschaften nur für Kinder sein sollen. Damit kann man auch durchaus als Erwachsener seinen Spaß haben.«
… oder man hat Spaß daran, im Müll nach Schätzen zu suchen …