Trotz allem begann sie erst mit dem, was man eigentlich als Erstes tat, wenn man in eine Wohnung oder ein Haus einzog, nämlich renovieren. Soweit so gut.
Was sollte daran wohl so schwierig sein?
Alte Tapete abreißen, neue Tapete rauf. Das dachte sich Stella aber auch nur. Im Schlafzimmer erwies sich dies noch als einfach, doch die beiden Zimmer im Obergeschoss hatten es in sich. Anstelle einfacher Tapete klebte dort Papiertapete mit wunderschöner, schultischgelber Ölfarbe. Einfach herrlich. Der Vorbesitzer hatte einen Geschmack vom feinsten. Obwohl, wenn Stella daran zurück dachte, dann fiel ihr ein, dass sie die beiden oberen Zimmer eigentlich nur Abstellräume waren. Aber wo blieben dann die Kinder? Vielleicht waren die auch zuvor in dem Raum gewesen und mit der schönen Farbe hatten sie das Gefühl, in der Schule zu sein, auch Zuhause.
Jedenfalls war es alles andere als einfach, diese Tapete abzubekommen, denn das Öl war wie festgeklebt daran. Da half kein Kratzen und auch kein Nass machen mit Wasser.
»Wie soll ich das denn nur abbekommen?«
»Einfach mit ein bisschen mehr Kraft.«
Das hatte der Nachbar sich so einfach gedacht.
»Das geht gar nicht.«
»Habe ich doch gesagt. Ich stehe hier auch schon eine halbe Stunde und habe erst ein Stück abbekommen. Wenn das so weitergeht, dann brauche ich einen ganzen Tag dafür, um die Tapete abzubekommen.«
Die beiden begannen, nachzudenken. Sie probierten alles Mögliche aus. Nass machen mit Seife, weniger Nass machen, trocken abreißen, föhnen, anpusten, streicheln…
Wenn es mit Streicheln geklappt hätte, das wäre es doch gewesen. Aber leider war die Tapete so hartnäckig, dass sie einfach nicht vorwärts kamen. Zum Glück fand sich doch eine Idee. So fiel dem Nachbarn ein chemisches Mittel ein. Er ließ dieses auf der Tapete etwas einwirken und siehe da, da ergab sich auch diese hartnäckige Tapete und ließ sich abziehen, wenn auch nicht so gut wie im Schlafzimmer.
»Immer muss man mit harten Mitteln arbeiten,
um etwas zu erreichen«, seufzte der Nachbar.
»Ich glaube, mit dem Haus habe ich mir auch was angeschafft. Da ist die Sache mit der Tapete wohl das kleinere Übel.«
Stella hatte es richtig erfasst. Auf sie würde noch viel mehr zukommen. So ging es auch damit weiter, dass selbst der Nachbar ganz verwirrt war,
als er die neue Tapete ranmachen wollte.
»Das kann doch gar nicht sein.«
Er hatte schon den Anfang geschafft und stand nun mit der letzten Bahn in der Ecke. Die vorhergehenden Bahnen hatte er alle schön gleichmäßig tapeziert, doch die letzte bereitete ihm Schwierigkeiten.
»Entweder habe ich falsch gemessen oder-«
-oder die Wände waren tatsächlich schief, wie er feststellte. So musste er also die letzte Bahn schief machen, damit es in dem Raum gerade aussah. Tolle Sache für einen Handwerker, da musste man es absichtlich schief machen, nur weil die ursprünglichen Häuslebauer anscheint zu viel Schnaps beim Bau (oder vermutlich versehentlich) genommen hatten und so schiefe Wände entstanden sind.
Im Wohnzimmer hing zwar keine Tapete mit Ölfarbe dran, allerdings konnte Stella mit Erstaunen feststellen, dass sich unter dieser Tapete gleich vier weitere Tapeten befanden. Da hatte man zuvor einfach keine Lust gehabt, die alte Tapete abzureißen und wollte lieber eine neue ranmachen. Oder man wollte einen Rekord aufstellen, wie viele Tapeten man in einem Raum aufeinander kleben konnte. Schade, jetzt hatte sie diesen Rekord kaputt gemacht. Dabei wollte sie sich doch nur ihren Wohnraum schön gestalten. Aber das hatte niemand gemerkt, dass sie die Rekordkette unterbrochen hatte. Sollte das Haus nach ihr wie-der andere Besitzer haben, so wussten die nichts davon und würden wohl nur sagen: »Was für ein schönes Haus. Das ist sauber und gerade.«